Zum Hintergrund:
Nachdem die Europäische Bankenaufsicht (EBA) zuletzt ihr Augenmerk verstärkt auf den Umgang mit den notleidenden Krediten gelegt hat, widmet sie sich nun mit der Veröffentlichung der Finalisierung der EBA-Leitlinien zur „Kreditvergabe und -überwachung“ sehr intensiv der Konkretisierung der Kreditprozesse im laufenden Kreditgeschäft.
Im Gegensatz zu den bisherigen Leitlinien über das „Management notleidender und gestundeter Risikopositionen“, die sich damit befassen, wie bereits gestundete und notleidende Kredite zu verwalten und zu managen sind, setzt die neue EBA-Guideline (EBA GL 2020/06) schon zu einem früheren Zeitpunkt an. Hierdurch soll verhindert werden, dass neu vergebene Kredite in der Zukunft zu notleidenden Krediten werden. Damit verfolgt die EBA konsequent das aus dem Aktionsplan 2017 des Rates der Europäischen Union stammende Ziel, die hohe Anzahl an notleidenden Krediten in der EU zu reduzieren und die Finanzstabilität und Widerstandsfähigkeit des EU-Finanzsystems zu verbessern.
Inhalt/ Eckpunkte:
Oberflächlich betrachtet sind die EBA-Anforderungen nicht neu. Allerdings gehen sie in vielen Punkten weit über die aktuellen Regelungen der MaRisk hinaus und engen mit ihren präzisen Formulierungen und umfangreichen Konkretisierungen den bisherigen Interpretations- und Handlungsspielraum erheblich ein.
Zusätzlich enthält die jetzt veröffentlichte finale Fassung der EBA-Guideline wesentliche Änderungen gegenüber der Konsultationsfassung, insbesondere wurden erstmals die Themen zu
- den Verbraucherschutzvorschriften
- der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
- den sog. ESG-Faktoren (Environmental, Social and Governmental)
- sowie der zunehmende Einsatz von technologischen Innovationen bei der Kreditvergabe und -bewertung
in die Leitlinien integriert.
Die weiteren Eckpfeiler der neuen EBA-Leitlinie betreffen u.a.:
- Die Kreditgovernance: Festlegung eines internen Führungs- und Kontrollrahmens für den Kreditvergabe- und Entscheidungsprozess; mit besonderer Betonung auf der Risikokultur
- Die Konkretisierung der Anforderungen für die Bonitätsbeurteilung von Kreditnehmern; differenziert nach den unterschiedlichen Kreditnehmerarten bzw. Risikopositionsklassen (z.B. Konsumentenkredite, Immobilienkredite, etc.)
- Die Spezifizierung der Anforderungen an den Umgang mit Informationen und Daten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Anforderungen
- Die Darlegung der aufsichtsrechtlichen Erwartungen für die risikobasierte Preisgestaltung von Darlehen
- Die Ansätze und Regelungen zur Bewertung von unbeweglichen und beweglichen Sicherheiten zum Zeitpunkt der Kreditvergabe sowie im weiteren Verlauf zur Überwachung und Überprüfung
- Sowie die Anforderungen an die laufende Überwachung des Kreditrisikos und der Kreditengagements, einschließlich regelmäßiger Kreditüberprüfungen der Kreditnehmer
Die einzelnen Regelungsbereiche der EBA umfassen somit den gesamten Kreditlebenszyklus.
Mehrstufiger Zeitrahmen:
Aufgrund der verspäteten Publikation der finalen Fassung der Leitlinien und wegen der besonderen Situation im Zusammenhang mit Covid-19 wird den Instituten eine mehrstufige Übergangsfrist für die Umsetzung eingeräumt. Während die Regelungen für Neugeschäfte im Kreditbereich bereits ab dem 30.06.2021 anzuwenden sind, bestehen Ausnahmen für das Bestandsgeschäft. Der zeitliche Rahmen im Überblick:
Wesentliche Herausforderungen:
Auch wenn die vollständige Anwendung der Leitlinien auf alle Kreditengagements erst ab dem Juni 2024 wirksam werden, so ist die Umsetzung doch für fast alle Institute sowohl mit großen inhaltlichen als auch zeitlichen Herausforderungen verbunden.
Insbesondere die umfangreichen Informations- und Datenanforderungen sollten nicht unterschätzt werden!
Da für neu vergebene Kredite bereits ab Juni 2021 eine vollständige Einbeziehung der ESG-Faktoren gefordert wird, sollten Institute spezifische ESG-Kriterien und ESG-Risiken bereits zeitnah analysiert, konzipiert und systemseitig integriert haben. Zusätzlich ist eine Verankerung institutsspezifischer Leitplanken in Risikokultur, Risikoappetit und Kreditrichtlinien notwendig, die wiederum umfangreiche Änderungs- und Dokumentationspflichten mit sich bringen.
Es ist also ratsam, um eine erfolgreiche und fristgerechte Umsetzung sicherzustellen, dass die Institute frühzeitig Anpassungsbedarfe – sowohl in ihren Prozessen, als auch in ihren bestandsführenden IT-Systemen – identifizieren und insbesondere die im Rahmen der Neukreditvergabe anzufordernden zusätzlichen Daten rechtzeitig festlegen, damit eine regulatorische Konformität sichergestellt werden kann.
Darüber hinaus sollten Abhängigkeiten zu anderen Leitlinien und regulatorischen Bestimmungen berücksichtigt und Öffnungsklauseln sowie vorhandene Handlungsspielräume institutsspezifisch genutzt werden, um die Umsetzung nicht nur sachgerecht, sondern auch so effizient wie möglich zu gestalten.
Fazit:
Trotz der stufenweisen Umsetzung der EBA-Guideline wird es für die Institute herausfordernd sein, alle benötigten Daten rechtzeitig, korrekt und vollständig in ihren Systemen vorzuhalten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die IT-Bereiche in fast allen Häusern bereits durch eine Vielzahl anderer Projekte und digitale Transformationen stark belastet sind.
Allerdings besteht für die Institute auch die Chance, die Harmonisierungs- und Standardisierungsbestrebungen der EBA im Kreditgeschäft zu nutzen, um bereits bestehende Prozessautomatisierungs- und Digitalisierungsinitiativen in ihren Häusern weiter voranzutreiben.
Wem dies frühzeitig, regelkonform und konsistent über alle Unternehmenseinheiten hinweg gelingt, kann nicht nur bei der Aufsicht punkten, sondern sich auch Wettbewerbsvorteile dahingehend sichern, wenn die von vielen aufgrund der Corona-Pandemie befürchtete „Welle von Kreditausfällen“ die Banken erreicht.
Wenn Sie das Thema interessiert oder sie weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern!
Ihr Ansprechpartner:
Bernd Heublein
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